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Klingt wie eine Art Rabattaktion im Supermarkt, nicht wahr? 3 kaufen, eins gratis dazu oder so.

Leider ist der Grund für diesen Titel weitaus trauriger:

Gestern nämlich wurde bekanntgegeben, dass die Armee drei Leichen von Entführten gefunden und geborgen hat. Dies bedeutet, dass die Familien ein Begräbnis durchführen und dann auch trauern können. Es bedeutet aber auch, dass ihre Hoffnung, die entführte Person lebend wieder in die Arme zu schliessen, zerschlagen ist. Bei den Toten handelt es sich um Amit Buskil (28), Itzik Gelernter (59) und Shani Louk (23) – vielleicht erinnerst du dich, dass Shani Louks halb nackter, lebloser Körper auf dem „Bild des Jahres“ zu sehen war…

(Quelle: Instagram)

Als wäre das nicht genug, kam heute Abend gleich die nächste Hiobsbotschaft: Es wurde eine weitere Leiche gefunden. Es ist der 52-jährige Ron Benjamin, der am 7. Oktober auf einer Fahrradtour in der Gegend war, wo die Massaker stattfanden.

(Quelle: Instagram)

Mir fehlen die Worte.

Wie versteinert

Heute war ich am Platz der Entführten. Wir schreiben Tag 221…

Der lange Tisch mit den leeren Stühlen hat sich verändert. Er ist jetzt grau, grau und eintönig, wie versteinert. Graue Teller und Gläser auf der Seite derer, die zurückgekehrt sind. Graue Stücke von Pitabroten und graue Plastikflaschen mit je einer leuchtend gelben Sonnenblume auf der Seite derer, von denen noch immer jede Spur fehlt.

Dieses Grau… wie versteinert… so,wie die Zeit seit dem 7. Oktober eingefroren und versteinert ist, ist auch dieser leere Tisch versteinert in seiner Traurigkeit.

Gelbe Tauben

Gestern, am 7. Mai, waren es sieben Monate. Sieben lange Monate, die seit dem 7. Oktober vergangen sind. Sieben endlose Monate, ein Albtraum ohne Erwachen.

Heute war ich am Platz der Entführten. Wir schreiben Tag 214. Jede gelbe Taube steht für eine entführte Person.

Verteidigen ja, gewinnen nein

Wieder einmal warten wir. Wir warten mit angehaltenem Atem. Wir warten – einmal mehr – auf die Antwort der Hamas zu einem von Israel vorgeschlagenen „Geiseldeal“.

Schon das Wort ist unsäglich. Als wären die Geiseln keine Menschen,sondern eine Ware, um die man feilschen kann. Und nichts anderes sind sie für die Hamas: ein Faustpfand, mit dem Israel erpresst werden kann.

O ja, unsere Gegner kennen uns sehr genau. Sie wissen genau, dass wir Menschenleben und das Leben als solches höher schätzen als alles andere. Sie wissen genau, dass wir die Geiseln zurückbekommen wollen, am liebsten lebend, doch auch die Leichen sollen nicht zurückgelassen werden, sondern ein ordentliches Begräbnis erhalten.

Unsere Gegner beobachten uns. Sie nutzen jede Schwäche, und sei sie noch so klein. Sie sehen die Verzweiflung der Angehörigen, hören die Rufe nach einem Regierungswechsel – und nutzen sie schamlos aus. Sie spielen mit uns, mit unseren Herzen und unseren Gefühlen.

Und die Welt? Sie übt Druck aus. Auf Israel, selbstverständlich auf Israel, auf wen denn sonst? Israel soll sich zurückhalten. Israel soll humanitäre Hilfe leisten. Israel soll nicht in Rafiah einmarschieren. Klar – einen Tumor entfernt man ja besser auch nur unvollständig, nicht wahr? Am besten lässt man einen Teil drin, oder?

Ich glaube, die ticken alle nicht richtig.

Humanitäre Hilfe für die Geiseln gibt es nämlich nicht. Das Rote Kreuz (oder meinetwegen der Rote Halbmond) hat keine einzige Geisel je besucht und bemüht sich auch allerhöchstens halbherzig darum.

Den Krieg richtig zu Ende bringen dürfen wir auch nicht. Und währenddessen verstreicht wertvolle Zeit, die die Geiseln nicht haben. Ich verstehe nicht. Verteidigen dürfen wir uns, aber sobald sich eine Art Überlegenheit oder – G-tt behüte! – ein Sieg abzeichnet, wird Israel von der internationalen Gemeinschaft zurückgepfiffen und an die Leine gelegt. Aber so wird das nix…

200 Tage

200 Tage, an denen ein Stuhl leer bleibt.

200 Tage, an denen ein geliebter Mensch fehlt.

200 Tage, an denen im Herzen ein Loch klafft.

Auch an unserem Tisch blieb am gestrigen Sederabend ein Platz unbesetzt – symbolisch, zur Erinnerung an die über 100 Geiseln, die immer noch in Gaza festgehalten werden, ohne jeglichen Kontakt zur Aussenwelt oder gar zu humanitären Organisationen.

Es ist eine Schande!

Still und leise

Still und leise steht nun Pessach vor der Tür. Eigentlich ist dieser Feiertag ein Fest der Freiheit: Wir erinnern uns an den Auszug aus Ägypten, die Befreiung aus der Sklaverei in die Unabhängigkeit.

Doch – wie können wir dieses Jahr feiern? Wie können wir feiern, wenn 133 Männer, Frauen und Kinder immer noch in Gaza festgehalten werden, unter unmenschlichen Bedingungen? Wie können wir feiern, wenn wir nicht wissen, ob sie noch leben (lies: wie viele von ihnen noch leben)? Wie können wir überhaupt Pessach feiern?

In vielen Familien wird dieses Jahr am Sedertisch ein Gedeck und ein Stuhl leer bleiben. Ein leerer Stuhl, Sybol für die Entführten, die so sehnlichst vermisst werden, deren Fehlen jeden Tag zu einem Albtraum macht. In einigen dieser Familien ist der Stuhl ganz konkret, weil ein Familienmitglied, ein Verwandter, ein Freund fehlt. Doch auch in anderen, nicht direkt betroffenen Familien wird ein Stuhl leer bleiben, um die Solidarität zu zeigen. Um an die Entführten zu denken. Um sie nicht zu vergessen.

Auch bei uns wird ein leerer Platz an die Geiseln erinnern

Mögen sie bald befreit werden. Möge Pessach, das Fest der Freiheit, ihnen auch Freiheit bringen!

#believeisraeliwomen, die Zweite

Die New York Times hat gestern einen Artikel veröffentlicht (deutsche, gekürzte Versionen hier und hier). Darin sagt eine der freigelassenen weiblichen Geiseln aus, sie sei in der Gefangenschaft in Gaza sexuell belästigt worden.

TRIGGERWARNUNG: Dieser Text enthält Beschreibungen physischer und sexueller Gwalt. Bitte lies nur weiter, wenn du es aushalten kannst.

Amit Soussana, 40, wurde am 7. Oktober aus dem Kibbutz Kfar Aza entführt. Als die Raketenalarme begannen, versteckte sie sich in einem Schrank in ihrem Haus, doch die Terroristen fanden sie und verschleppten sie nach Gaza. Unterwegs wehrte sie sich so sehr, dass die Terroristen Mühe hatten, sie zu bändigen. Sie wurde stark geschlagen und erlitt Verletzungen, unter anderem eine aufgesprungene Lippe, einen Bruch in der rechten Augenhöhle, der Wange und dem Knie sowie schwere Blutergüsse am Knie und am Rücken. Einige dieser Veretzungen entstanden beim „Transport“, andere in Gefangenschaft.

Zuerst wurde sie im Haus von „Mahmoud“ gefangen gehalten, mit einem Fuss an den Fensterrahmen gekettet. Mahmoud interessierte sich vor allem für ihr Sexleben, und er bot ihr wiederholt Massagen an. Ausserdem fragte er immer wieder, wann sie denn ihre Menstruation bekäme, und, als sie dann blutete, wann ihre Periode zu Ende sei. Amit Soussana hielt ihn etwa eine Woche lang hin unter der Ausrede, sie blute immer noch. Dort, durch Mahmoud, erlebte sie auch die sexuelle Belästigung: Unter Waffengewalt zwang Mahmoud sie, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen.

Am Tag nach dem Beginn der israelischen Offensive wurde Amit Soussana in eine andere Wohnung gebracht, zu „Amir“. Dort traf sie auf vier weitere Geiseln. Amir schlug sie, und er folterte sie auch, gemeinsam mit einer Gruppe von anderen Männern. Anscheinend wollten sie Informationen aus ihr herauspressen, von denen sie glaubten, Amit habe sie. Sie versteht bis heute nicht, was man eigentlich von ihr hören wollte.

Mitte November wurden die Geiseln getrennt, und Amit Soussana wurde mit einem älteren Paar zusammen in ein Haus gebracht, aus dessen Innerem ein Tunnel abging, der etwa 40 Meter unter die Erdoberfläche führte. Dort war es dunkel und feucht, und er Sauerstoff war so knapp, dass die Geiseln bei der leichtesten Anstrengung keuchten. Ihre Bewacher blieben immer nur kurz unten und holten dann auf höher gelegenen Gängen wieder Luft.

Am 30. November wurde Amit Soussana gemeinsam mit Mia Schem und anderen Geiseln freigelassen. Unterwegs wurde ihr Fahrzeug von einem Mob eingekreist und mehr oder weniger angegriffen… bis das Rote Kreuz sie in einen Jeep bringen konnte.

Selbstverständlich hat ein Sprecher der Hamas, Basem Naim, bereits schriftlich Zweifel an Amit Soussanas Erlebnissen angemeldet. Die religiösen Ansichten der Hamas verböten es, Menschen schlecht zu behandeln, unabhängig von Geschlecht, Religion oder ethnischer Herkunft. Ausserdem würde die New York Times zu wenig über das Elend in Gaza berichten…

Hier ist anzumerken, dass immer noch 19 Frauen als Geiseln in Gaza festgehalten werden. Was sie durchmachen, ist unvorstellbar. Und nein, Vergewaltigung ist keine legitime Form des „Widerstands“.

Shema Israel

Es gibt ein Gebet, das jede Jüdin, jeder Jude, egal, welchen Alters, welcher Denomination oder welcher Religiosität kennt: das Shema.

„Shema Israel… höre, Israel, der Herr, unser G-tt, ist einer.“

Das Shema wird regelmässig gebetet, innerhalb der täglichen Gebete, aber auch in Zeiten höchster Not und beim Sterben. Viele der Überlebenden der Massaker des 7. Oktober erzählen, sie hãtten das Shema gebetet, immer und immer wieder, und ganz sicher war es auch auf den Lippen der meisten Opfer.

Heute ist Ta’anit Esther, ein Fasttag zur Erinnerung an Königin Esther, die fastete und betete, bevor sie zu König Ahasveros ging, um um ihr Leben und um die Leben aller Juden im persischen Reich zu flehen. Und heute haben die Familien der Entführten zum weltweiten Shema-Gebet aufgerufen. An der Westmauer des Tempels, auch Klagemauer genannt, versammeln sich tausende von Betern und Beterinnen, die während einer Stunde an die Entführten erinnern und für sie beten (Beginn: 16:30 Uhr israelische Zeit). Zum Abschluss wird um 17:30 Uhr israelischer Zeit das Shema gebetet – und weltweit stimmen Juden und Jüdinnen zeitgleich ein. Ein Massengebet, sozusagen, um den Himmel zu bestürmen.

(Quelle)

Möge unser Gebet erhört werden!

Tastes like home – ein Projekt

Noch immer werden 134 Geiseln in Gaza festgehalten, ohne Kontakt zum Roten Kreuz oder einer anderen Hilfsorganisation, ohne Zugang zu Medikamenten, unter unmenschlichen Bedingungen. Jede dieser Geiseln hat einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte. Jede dieser Geiseln hat eine Familie. Keine dieser Geiseln darf vergessen werden.

Nächsten Sonntag feiern wir Purim. Feiern? Niemandem ist nach Feiern oder Verkleiden, viele Anlässe wurde wohl abgesagt. Trotzdem wird in der Synagoge die Esther-Geschichte gelesen, trotzdem erinnern wir uns daran, wie Königin Esther dank ihrer jüdischen Herkunft die Juden Persiens vor der Ausrottung durch den Bösewicht Haman retten konnte.

Im Zusammenhang mit Purim ist es üblich, einander Geschenkkörbe zu überreichen. Darin sind Süssigkeiten, Kekse, etwas Salziges, Kaffee, Thunfisch etc.

Jetzt ist mit den Familien der Geiseln ein neues Projekt gestartet: Tastes like home. Es geht ihnen vor allem darum, dass die Namen und Gesichter der Entführten im Gedächtnis bleiben. Um dies zu erreichen, haben sie die Lieblingsrezepte der Vermissten ins Netz gestellt und bitten darum, diese Rezepte nachzubacken und für die Geschenkkörbe (Mishlochei Manot) zu verwenden.

Hier findest du die Rezepte (auf Englisch und Hebräisch). Denk bitte beim Backen an die Geiseln und ihre Angehörigen, und wenn du kannst oder möchtest, bete für ihre baldige Rückkehr. Natürlich darf auch ohne Zusammenhang mit Purim gebacken werden!

Danke, dass auch du sie nicht vergisst, die 134 Menschen, die hier so fehlen.

160 Tage

160 Tage sind seit dem 7. Oktober vergangen.

160 Tage voller Trauer, Ungewissheit, Angst, Wut, Unsicherheit, Erschöpfung.

160 Tage hoffen und bangen.

160 Tage warten.

160 Tage, während denen einem aus der umliegenden Welt zum Teil Unverständnis, zum Teil blanker Hass entgegenschlägt.

160 Tage, während denen sich die antisemitischen Vorfälle weltweit extrem vermehrt haben.

160 Tage, von denen keiner ins Land ging, ohne dass irgendwo in Israel die Alarmsirenen heulten, Raketen einschlugen oder aber Anschläge verübt wurden.

160 Tage.

… and counting…